In einem Aufsatz vom 10. November in der Neuen Zürcher Zeitung beschäftigen sich die Medienwissenschaftlerinnen Miriam Meckel und Katarina Stanoevska-Slabeva (Universität Sankt Gallen) mit Twitter als Kampagnen- und Wahlkampf-Instrument.

Tenor: Wer Twitter erfolgreich nutzen will, sollte

erstens: rechtzeitig anfangen und nachhaltig arbeiten, um Akzeptanz beim Microblogging-Publikum zu finden.

zweitens: seine followers auf nutzwertige Hintergrundinformationen auf anderen Web-Kanälen wie Youtube, Face-Book  oder anderen Webseiten verweisen.

Auf diese Weise sei Twitter zu einem wichtigen Teil des erfolgreichen Online-Wahlkampfes von Barack Obama geworden, während das deutsche Wahlkampfgezwitscher weitgehend verpufft sei.

Die Wissenschaftlerinnen verweisen auf den fehlenden Vorlauf, den deutsche Politiker bei ihren Social Media-Versuchen im Bundestagswahlkampf hatten. Während Obama damit 18 Monate vor der Wahl startete, seien mehr als zwei Drittel der Polit-Accounts hierzulande erst im Wahljahr 2009 angelegt worden. 

Hinzu komme, dass die wenigsten Politiker spannende Botschaften zum Zwitschern zur Hand haben und zudem auch nicht regelmäßig aktiv sind. Darüber hinaus werde viel Banales gezwitschert, zum Beispiel Hinweise aufs Wetter. Deshalb führten die Parteien auf Twitter "vornehmlich Selbstgespräche“.

Weiteres Problem: Nicht wenige Accounts (rund 20 Prozent) seien gefälscht. Daran sind offenbar auch die Parteien selbst nicht unschuldig, denn sie nutzen Twitter-Konten auch, um Gegner bloßzustellen. So ließen politische Gegner in Anspielung auf Andrea Ypsilanti dem Aufsatz zufolge „die SPD-Politikerin Hannelore Kraft unter dem Namen «Kraftilanti» mit falscher Stimme zwitschern“. (Grafik: Ausriss aus Twitter-Account von Barack Obama).

Barack Obama und andere Prominente wie Jordaniens Königin Rania nutzen deshalb  die Möglichkeit, bei Twitter ein verifiziertes Account zu betreiben, sodass Leser die Gewissheit haben, dass auch drin ist, was draufsteht. Eine Empfehlung, die sicher auch Unternehmen zu geben ist.

Anmerkungen zu den in der NZZ veröffentlichten Einschätzungen:

  • Richtig ist, dass Barack Obamas Berater (oder er selbst) zu einem sehr frühen Zeitpunkt Twitter als Kampagneninstrument entdeckt haben. Sie haben auch den dialogischen Charakter dieses Social Media-Portals berücksichtigt, denn der angehende und dann gewählte Präsident der Vereinigten Staaten folgt - virtuell - vielen seiner followers.
  • Sympathisch finde auch ich, dass die Zahl der Einträge in seinem Account kein Spam-artiges Ausmaß annimmt.  Es sind - Stand 10. November, 19.30 Uhr deutscher Zeit - 441 Einträge seit dem 29. April 2007, als Obama die Twitter-Bühne  betrat. Es gibt hierzulande Alpha-Mikroblogger vor allem aus der PR-Branche und dem Marketing, die es in weniger als einem Jahr auf 3000 Einträge (und mehr) bringen. Weil sie mehr zu sagen haben, als der angehende und dann gewählte US-Präsident? Weil Sie mehr Zeit haben? Oder weil sie glauben, dass Dabeisein (müssen) alles ist? Manche raten, täglich fünf oder sechs Einträge zu produzieren (!).
  • Treffend in dem NZZ-Artikel ist die Einschätzung, dass Politik in Deutschland Nachholbedarf in Sachen Social Media hat und sich im Medium Twitter noch unsouverän bewegt. Doch jenseits dieser handwerklichen Probleme müsste ein umfassender Vergleich auch die Strahlkraft der Kandidaten selbst beleuchten, die sich in den USA und in Deutschland gegenüberstanden. Maßstäblich auf die Bundesrepublik herunter verkleinert kommt der Erneuerungsmission, die Barack Obama im US-Wahlkampf verkörperte, vielleicht Willy Brandts "Wir wollen mehr Demokratie wagen" nahe. Auch Helmut Kohl hatte im Jahr des Mauerfalls große Momente.

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