Herausforderungen der digitalisierten Arbeitswelt waren Thema eines Interviews mit dem Vorsitzenden des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Wirtschaftsweise“), Professor Christoph M. Schmidt, Präsident des RWI. und dem Ingenieurwissenschaftler Professor Sascha Stowasser, Karlsruhe Institute of Technolgoy, KIT, und Direktor des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft, ifaa. Das Interview erschien am 20. Juni arbeitswissenschaftlichen Fachjournal „Betriebspraxis & Arbeitsforschung“ des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft, ifaa. Carsten Seim ist Redaktionsleiter dieses Fachmagazins. Die Fotos machte Joerg Friedrich. Die Themen im Einzelnen:

In dem Gespräch bekräftigt und begründet der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen Professor Christoph M. Schmidt seine Forderung nach einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten und Lockerung der deutschen Arbeitszeitgesetzgebung, insbesondere der Elf-Stunden-Ruhezeitregelung. Wörtlich erklärte er:

„Mehr Flexibilität bringt zwei Vorteile. Erstens: Aus Sicht der Unternehmen, der Wertschöpfung und damit der gesamtwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist es wichtig, dass Flexibilität dort gelebt werden kann, wo sie möglich und nötig ist. Moderne Techniken und die digitalisierte Arbeitswelt bieten die Möglichkeit, schneller auf Kundennachfragen zu reagieren. Aber die Unternehmen müssen auch rechtlich dazu in der Lage sein, diese Möglichkeit zu nutzen. Viel wichtiger ist für mich aber der zweite Aspekt: die Sicht der Arbeitnehmer. Die moderne Arbeitswelt wird ganz neue Möglichkeiten bieten, den eigenen Arbeitseinsatz und die eigene Arbeitsorganisation passgenau auf ihren jeweiligen Lebensentwurf zuzuschneiden. Den Arbeitnehmern sollte es aber auch ermöglicht werden, diesen eigenen Wunsch zur Flexibilität auszuleben. Es gibt also begründete Bedürfnisse gleichermaßen von Unternehmen und Arbeitnehmern, denen eine starre Arbeitszeitgesetzgebung nicht länger entgegenstehen sollte.“

Zu Bedenken gegen eine Reform der Elf-Stunden-Ruhezeitregel erklärte Professor Schmidt: „Da Unternehmen ihre Arbeitskraft immer dringender brauchen, haben Arbeitnehmer heute eine große Verhandlungsmacht. Sie können ihre eigenen Interessen sehr gut vertreten und so effektiv verhindern, dass es im Zuge von mehr Flexibilität zu einer schleichenden Intensivierung ihrer Arbeitsbelastung kommt. Man darf ihnen durchaus zutrauen, dass sie ihr Arbeitsleben selbst gestalten können. Der Gesetzgeber sollte es daher nicht länger zulassen, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einer Grauzone agieren, wenn bereits eine kurze Unterbrechung der Ruhezeit, etwa zum Beantworten einiger weniger E-Mails am späteren Abend, ausreicht, um die Regelung der Mindestruhezeit zu verletzen. Die geltenden gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeit sind bislang auf das Industriezeitalter zugeschnitten, nicht auf den modernen Arbeitsmarkt – und dazu noch deutlich restriktiver, als es die EU-Arbeitszeitrichtlinie erfordert. Eine neue Balance zwischen Schutz und Flexibilität kann gelingen, ohne dabei die Arbeitszeit heimlich auszudehnen.“

Auch ifaa-Direktor Professor Stowasser unterstützt die durch den Wirtschaftsweisen erhobene Forderung nach einer Lockerung des gesetzlichen Arbeitszeit-Korsetts in Deutschland: „Flexible Beschäftigungsformen wie Teilzeit (sind) eine zentrale Voraussetzung dafür, neue Beschäftigtengruppen für den Arbeitsmarkt überhaupt erschließen zu können – zum Beispiel gut ausgebildete Frauen.“ Stowasser weiter: "Im Vergleich zu Arbeiten 1.0, 2.0 und 3.0 ändert sich bei Arbeit 4.0 eine wesentliche Dimension. Und das ist die Arbeitszeit – weg vom Starren hin zum Flexiblen. Teilzeitmodelle und Vertrauensarbeitszeit werden Präsenz gewinnen.“

Das komplette Gespräch finden Sie hier zum Download.

Carsten Seim, avaris | konzept, Redaktionsbüro für strategische Kommunikation - Kommunikative Beratung | Öffentlichkeitsarbeit | Redaktion | Seminare

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